Die Plattform für Menschenrechte Salzburg ist ein Netzwerk von ungefähr 30 NGOs, die das Anliegen der Verteidigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten auf regionaler Ebene teilen. Wir setzen uns für die Rechte jener Menschen ein, die in besonders verletzlichen Situationen sind, bieten Mitgliedern einen Rahmen, um strukturelle Lücken in verschiedenen Bereichen, wie Pflege & Betreuung, Flucht & Asyl, Arbeit und Bildung aufzuzeigen und versuchen durch den breiten Austausch strukturelle Maßnahmen mit anzustoßen und zu entwickeln.
Jährlich seit 2003 verleiht die Plattform die Rose der Menschenrechte an Initiativen, Menschen, Gruppen und Organisationen, die sich im betreffenden Jahr besonders für Menschen und Menschenrechte im Salzburger Land eingesetzt haben. In diesem Jahr zeichnen wir – unüblich – ein hausinternes Projekt aus: Die „Menschenrechtsschulen und -kindergärten in der Stadt Salzburg“, stellvertretend für die Zusammenarbeit darin, besonders engagierte Menschen im Verlauf des Projekts. „Wir, d.h. das Plenum der Plattform aus allen Mitgliedern, möchten anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Plattform für Menschenrechte die Ehrung an Menschen überreichen, die sich im Verlauf der fast zehn Jahre Projektlaufzeit besonders für die gesamtschulische Weiterentwicklung eingesetzt haben und gleichzeitig auf Ressourcendefizite aufmerksam machen. Das Projekt wurde leider im Herbst dieses Jahres aufgrund fehlender Ressourcen für ein nachhaltiges und sinnvolles Arbeiten in der schulischen menschenrechtlichen Prozessbegleitung eingestellt“, so Franziska Kinskofer vom Steuerungsteam der Plattform.
Damit offenbart sich bereits, weshalb ein Klatschen zu bestimmten Anlässen nicht genug ist, um die Starrheit des Bildungssystems aufzuweichen und partizipativ so zu verändern, sodass die in der Kinderrechtskonvention verankerten Bildungsziele umgesetzt und ein konstruktives Menschenrechtsklima in vielfältigen Gesellschaften an Schulen täglich gestaltet werden kann. Wir wollen daher die Gelegenheit zum Internationalen Tag der Menschenrechte nutzen, um neben der Ehrung dieser engagierten Menschen auch auf die komplexen Problemkonstellationen an Schulen hinzuweisen, die sich auch in anderen gesellschaftspolitischen Strukturen widerspiegeln. Eine Podiumsdiskussion mit langjährigen Wegbegleitern aus verschiedenen menschenrechtlichen Feldern wird die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen genauer beleuchten. Abdullah Cetin, Christine Nagl, Elsa Lux, und Vesna Kilom werden zusammen mit Barbara Schmiedl und Josef P. Mautner nach der Verleihung der Rose der Menschenrechte verleihen.
Menschen, Rechte & Geschichte(n)
„Gebildet ist, wer Parallelen sieht, wo andere völlig Neues erblicken.“ Dieses Zitat wird Anton Graf zugeschrieben, der während der NS-Zeit vor allem in Salzburg im Rahmen einer Ortsgruppe der Revolutionären Sozialisten Widerstand gegen das NS-Regime leistete. Parallelen zu erkennen, bleibt dabei auch heute noch ein wesentlicher (impliziter) Bildungsauftrag. Geschichte(n) von Menschen wahrzunehmen, die strukturelle Lücken aufzeigen und für die einzelnen Menschen oder sogar ganze Gruppen Menschenrechtsverletzungen bedeuten, bleibt zentraler Bestandteil einer jeden schulischen Gemeinschaft und von lebensbegleitender Bildung allgemein. Diese Wahrnehmung und die möglichen Handlungsspektren (individuell wie kollektiv) zu schulen schließt alle Lernenden, Schüler:innen wie Lehrer:innen wie Direktor:innen und weiteres Schulpersonal und Kooperationspartner im Stadtteil, ein. Diese Wahrnehmung zu schulen und einen geeigneten, ausgestatteten Rahmen zu ermöglichen, der im schulischen Alltag Zeit und Raum lässt, um Menschenrechte zu leben, braucht jedoch mehr als einzelne Schultern und Projekte.
Es braucht im Bildungsbereich ganzheitliche Reformen, die Bildungsziele an die Herausforderungen dieser Zeit anpassen, das Handlungsspektrum im solidarischen Umgang mit diesen Herausforderungen (wie z.B. die Klimakatastrophe oder der zunehmende Rechtsruck in Form von Ausgrenzung derjenigen, die ohnehin am wenigsten haben) zu erweitern und ein soziales Miteinander systemisch zu etablieren, in dem Lernen für´s Leben und dabei mitgestalten jeden Tag für die vielfältigen Beteiligten möglich wird.
Gewaltschutz an Schulen: Handlungsspielräume schaffen
Gewaltschutz und Gewaltsensitivität, etwa im Umgang mit Mobbing, sind essenziell, um sichere Bildungsräume zu gewährleisten. Laut einer Studie des Mental Health Jugendvolksbegehrens hat fast jeder vierte Schülerin in Österreich Mobbing erlebt. „Wir brauchen mehr psychologische und soziale Unterstützung an Schulen sowie klare Präventionsstrategien,“ fordert Cedric Keller, ÖH-Vorsitzender an der Universität Salzburg.
Dänemark bietet mit Programmen wie Fri for Mobberi („Frei von Mobbing“) Vorbilder: Lehrkräfte werden umfassend geschult, um präventiv auf soziale Konflikte einzugehen und Resilienz bei Schüler*innen zu fördern. Auch Hamburg zeigt mit Projekten wie MindMatters und Infamilie Hamburg, wie Schulen und Gemeinden gemeinsam Präventionsarbeit leisten können. Während MindMatters systematisch eine gesundheitsfördernde Schulkultur etabliert, unterstützt Infamilie Hamburg Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen durch Netzwerke und frühzeitige Hilfe.
„Die Rolle von sicheren Netzwerken im Übergang von der Schulzeit zur Hochschule wollen wir dabei ebenfalls betonen“, so Kinskofer. „In Salzburg gibt es hierzu verschiedene Projekte, wie NextGen Buddies und das Projekt Sprungbrett von Bildungsinstitutionen für Bildungsinstitutionen, wie auch im breiteren Ausbildungskontext und österreichweit vertreten Teach4Austria und Sindbad. Doch es braucht neben zuarbeitenden Netzwerken eben auch mehr Gestaltungsräume im täglichen Schulalltag selbst, sodass sich gesamtschulisch und nachhaltig etwas an der Menschenrechts- und damit auch Begegnungs-, Fehler- und Konfliktkultur verändern kann.“
Universitäten: Mehr Menschenrechts- und Diskriminierungssensitivität nötig
Doch auch Studierende in Österreich selbst sind auf Unterstützung im studentischen Alltag angewiesen. Besonders zentral dabei ist ein stärkerer Fokus österreichischer Hochschulen auf menschenrechts- und diskriminierungssensible Strukturen. Themen wie geschlechtsspezifische Ungleichheiten und die unzureichende Unterstützung von Studierenden aus marginalisierten Gruppen bleiben drängend. Die Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung 2023 belegen dies eindrücklich: Frauen, besonders in MINT-Fächern, und Studierende mit Betreuungspflichten stehen vor größeren Barrieren als andere Gruppen.
„An unseren Hochschulen fehlen zum einen gut ausgestattete Anlaufstellen für Diskriminierung und niederschwellige Beratungsangebote, zum anderen haben wir oft ein Problem mit der Bekanntheit bestehender Angebote. Außerdem wird ein größerer Fokus auf die geschlechtsbedingt-unterschiedlichen Realitäten im Lehren und Lernen in Hochschulen benötigt. Ein menschenrechtsförderndes Klima könnte hier für mehr Aufmerksamkeit sorgen”, so Keller. Dazu brauche es transparente Beschwerdemechanismen, die aktive Förderung von Chancengleichheit zum Abbau bestehender Hürden für Menschen in vulnerablen Situationen.
Forderung nach politischer Priorisierung
Bildung im 21. Jahrhundert heißt also mehr als Parallelen zu erkennen. Es heißt, sie zu erkennen und im lebensbegleitenden Lernen vom Kindergarten bis zur weiterführenden Ausbildung, Rahmenbedingungen zu schaffen, um ihnen einen Knick – eine andere Richtung – zu verpassen. Die Plattform für Menschenrechte Salzburg fordert, dass Bildungseinrichtungen die finanziellen und personellen Mittel erhalten, um ein gewalt- und diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen. “Für die gleichen Forderungen haben wir vor 10 Jahren schon protestiert”, meint eine Preisträgerin der Rose für Menschenrechte. Dass sich eine solche Parallele nicht erneut zuträgt, ist zentrales Motiv der Menschenrechtsarbeit in Salzburg.
Cedric Keller und Franziska Kinskofer
für das Steuerungsteam der Plattform für Menschenrechte
Unterstützt von Amnesty International Salzburg.