NGO-Partnerschaft mit Stolipinovo

Armutsmigration ist ein gesamteuropäisches Phänomen, das vor allem durch Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung in den Herkunftsländern zu verringern ist. Die Plattform Menschenrechte engagierte sich mehrere Jahre in einem Partnerschafts-Projekt mit der Roma-Stiftung – einer Selbstorganisation in Stolipinovo, einer der größten Roma-Siedlungen in Südosteuropa. So wurde beispielsweise Kindern aus Stolipinovo der Besuch von Schulen der bulgarischen Mehrheitsbevölkerung ermöglicht, um der ethnischen Trennung entgegen zu wirken.

Stolipinovo liegt am Rande von Plovdiv, der zweitgrößten Stadt in Bulgarien.

Aufwachsen im Ghetto

Jugendliche, die das eigene Viertel noch nie verlassen haben. Kinder, die nicht ins öffentliche Schwimmbad dürfen, weil sie Roma sind. Mädchen und Buben, die in eine Gesellschaft mit einer Arbeitslosenrate von 95 Prozent hineinwachsen. Stolipinovo ist das größte Roma-Viertel auf dem Balkan und liegt am Rand von Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Wer hier aufwächst, macht früh die Erfahrung von Diskriminierung, Ausgrenzung und wird mit extremen Formen von hate speech konfrontiert: Volen Siderov, Vorsitzender der Partei „Ataka“ benutzte die Losung „Zigeuner zu Seife“ im Wahlkampf zur Parlamentswahl. Die Partei „Nationale Front zur Rettung Bulgariens“ forderte, „alle Roma in Konzentrationslager sperren und als Touristenattraktion ausstellen“. Trotz zahlreicher Anzeigen unternahm die Staatsanwaltschaft nichts.

Im Rahmen der Partnerschaft konnten zwischen 2015 und 2019 zahlreiche Maßnahmen gesetzt werden, um eine niederschwellige Menschenrechts- und Anti-Diskriminierungsarbeit in Stolipinovo zu entwickeln. Diese betrafen vor allem Kompetenzaufbau sowie Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Mit einer Studie zum „Sozialraum Stolipinovo aus menschrechtlicher Sicht“ fand die Projektpartnerschaft zwischen der Plattform Menschenrechte Salzburg und der selbstverwalteten Roma-Foundation Stolipinovo in Plovdiv ihren planmäßigen Abschluss. Die Studie wurde aus Mitteln des Landes Salzburg finanziert. Autor war der Journalist und Filmemacher Andreas Kunz, der in Plovdiv lebt und für die Plattform in den letzten Jahren mehrere Aktivitäten vor Ort koordiniert hat. Die Studie wurde am 6. November 2019 im Haus Elisabeth der Caritas in Salzburg präsentiert.

Kulturhauptstadt 2019

Plovdiv war im Jahr 2019 europäische Kulturhauptstadt. Im Bewerbungsprozess wurde stark auf die „Roma-Karte“ gesetzt. Verschiedenste kulturelle Aktivitäten in Stolipinovo – vom Video- bis zum Musikfestival – waren angekündigt. Roma-NGOs wie der Jugendclub Stolipinovo waren in die Planung nicht eingebunden, obwohl sie im Bewerbungspapier als „confirmed partner“ aufschienen. Bei einem Gesamtbudget von 32 Millionen Euro waren für Aktivitäten in Stolipinovo nur 500.000 Euro vorgesehen. Zum Vergleich: Der Zoo von Plovdiv sollte im Rahmen der Kulturhauptstadt um zwei Millionen Euro renoviert werden.

Links:

Studie: Sozialraum Stolipinovo aus menschenrechtlicher Sicht
Roma-Familien bald obdachlos, Rupertusblatt 26. 2. 2017
Kultur-Hauptstadt reißt Roma-Häuser ab, Standard 23. 2. 2017
Kultur-Hauptstadt „säubert“ Roma-Sieldungen, Salzburger Nachrichten 22. 2. 2017

DVD „Im Ghetto – Die Roma von Stolipinovo“. Erhältlich bei Studio West für 14,90 EUR plus Versand mit deutschen oder englischen Untertiteln.

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