Gemeinsam mit ihren Mitgliedern dokumentiert die Plattform alljährlich die Situation von besonders verletzlichen Gruppen im Bundesland Salzburg. Bei der Präsentation des Berichts für das Jahr 2022 widmete die Plattform drei Themen besondere Aufmerksamkeit:
- der Situation von Menschen mit Behinderungen
- der Situation von Geflüchteten auf dem Weg in ein selbständiges Leben
- der Situation von älteren Menschen mit psychischen Vorerkrankungen
Salzburger Menschenrechts-Bericht 2022 zum Download

Ist es dunkel, wenn ein Mensch eine Behinderung hat?
Das antiquierte Almosen-Image von Licht ins Dunkel steht in der Kritik. Auch im Salzburger Menschenrechts-Bericht analysiert die Selbstbestimmt-Leben-Aktivistin Sonja Stadler die ORF-Hilfsaktion mit drastischen Worten: „Die Bilder von Menschen mit Behinderungen, welche bei Licht ins Dunkel gezeigt werden, sind nur dafür geeignet, dass auf die Tränendrüsen der Spender:innen gedrückt wird. Und das finde ich mehr als nicht in Ordnung. Wir wollen nicht, dass jemand zu weinen beginnt, wenn er uns Menschen mit Behinderungen sieht oder trifft. Sondern wir wollen Menschen ohne Behinderungen auf Augenhöhe begegnen.“
Statt rührender Bilder fordert Sonja Stadler, die sich im Verein Knack:punkt engagiert, Rechte, wie sie für alle Menschen gelten. „Was für uns Menschen mit Behinderungen anders ist, ist nur der Umstand, dass wir unsere Menschenrechte aufgrund von fehlender Barrierefreiheit nicht leben können.“ Diese Barrieren betreffen nicht nur Gebäude oder öffentliche Räume, sondern insbesondere die gesellschaftliche Teilhabe, die Möglichkeit zu arbeiten oder den Zugang zu Informationen.
Als Frau und Rollstuhlfahrerin, die von Beginn an mit einer Behinderung lebt, betont Sonja Stadler: „Nein, es ist nicht dunkel, wenn ich mit einer Behinderung umgehen will und umgehen muss. Das Licht, das uns tatsächlich helfen würde, ist die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der damit verbundene Abbau von Barrieren.“
Geflüchtet, alleinerziehend und kaum Chance auf Arbeit
Für Geflüchtete in Österreich stellt der Übergang von der Grundversorgung in ein eigenständiges Leben eine besondere Herausforderung dar. In der Grundversorgung bekommen Geflüchtete Wohnung, Essen, Kleidung und Taschengeld. Wollen Sie erste Schritte auf dem Arbeitsmarkt machen, dann dürfen sie pro Monat höchstens € 110 dazuverdienen. Wer mehr verdient, verliert unter Umständen die staatliche Unterstützung und muss bisherige Bezüge zurückzahlen. „Andererseits schaffen es die allerwenigsten, gänzlich ohne Unterstützung ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften“, so Lina Cenic vom Diakonie Flüchtlingsdienst Salzburg. „Die aktuellen Regelungen sind selbst für die Behörden oft verwirrend und führen überdies oft zu Armut und ausweglosen Lebenssituationen.“
Zusätzlich kompliziert wird die Situation dadurch, dass es selbst innerhalb einer Familie unterschiedliche Aufenthaltstitel geben kann. Im aktuellen Salzburger Menschenrechts-Bericht wird ein Fall geschildert, wo der Vater eines zweijährigen Mädchens als Konventionsflüchtling anerkannt wurde, die Mutter hingegen nur eine befristete Aufenthaltsberechtigung erhielt. Kennengelernt haben sich die beiden in Österreich. Die Frau erhält keinen kostenlosen Deutschkurs und hat somit auch kaum eine Chance auf einen Job. Und selbst wenn, hängt eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration letztlich davon ab, ob die inzwischen alleinerziehende Frau einen Betreuungsplatz für ihr Kind bekommt.
In dieser Situation befinden sich auch viele Frauen, die mit ihren Kindern aus der Ukraine geflüchtet sind. Diese dürfen zwar dank einer Sonderregelung Familienbeihilfe beziehen. Vom Bezug der Sozialunterstützung sind sie aber ausgeschlossen – und somit stehen sie vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe: Entweder sie bleiben in der Grundversorgung und dürfen € 110 dazuverdienen oder sie müssen sich ihren Lebensunterhalt zur Gänze selbst verdienen.
Die Plattform für Menschenrechte fordert deshalb, dass aus der Ukraine Vertriebene und ebenso subsidiär Schutzberechtigte in das Sozialhilfesystem aufgenommen werden. „Im System der Grundversorgung sind diese Personen völlig fehl am Platz, die Grundversorgung ist auch nur für die Dauer des Asylverfahrens gedacht“, sagt Barbara Sieberth, Sprecherin der Plattform für Menschenrechte. „Über den Zugang zur Sozialhilfe könnten die Personen hingegen in selbst angemietete Wohnungen ziehen, rascher Arbeit finden und selbsterhaltungsfähig werden, anstatt Grundversorgungsplätze auf nicht absehbare Zeit zu blockieren.“
Warum die Stadt Salzburg Menschen mit psychischen Erkrankungen aus den Seniorenheimen ausschließt
Gegen viele Widerstände vor allem aus Kreisen von Fachärzt:innen beschloss die Stadt Salzburg vor zwei Jahren neue Richtlinien für die Aufnahme in Seniorenheime. Laut diesen sind Menschen mit bestimmten psychischen Vorerkrankungen von der Aufnahme ausgeschlossen. Begründet wird dies mit dem Schutz des Pflegepersonals vor Überforderung. Im aktuellen Menschenrechtsbericht wird die komplexe Frage aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet:
Der Leiter der städtischen Seniorenheime verteidigt im Interview mit Nachdruck diese Form der Diskriminierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es handele sich um eine „Abwägung von verschiedenen Interessen“, und auch die Pflegekräfte müssten geschützt werden. Die Leiterin der Seniorenberatung beschreibt, wie aufgrund des Personalmangels aktuell viele pflegebedürftige Personen gar keine Aufnahme mehr in die Seniorenheime finden und was das für die Angehörigen bedeutet.
In einem weiteren Artikel kommen mehrere Expert:innen zu Wort, die die neuen Richtlinien der Stadt als fachlich unhaltbar und stigmatisierend bezeichnen. Mit der umstrittenen Maßnahme würden alte Klischees in Bezug auf psychische Erkrankungen abgerufen. Gerade Salzburg habe mit der so genannten integrierten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ein Modell geschaffen, das für Österreich vorbildhaft sei und über das auch Seniorenheime ausreichend betreut werden können. Bei der Integrierten Versorgung handelt es sich um eine aufsuchende Betreuung. Ziel ist es, dass Menschen zum Beispiel mit Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis oder mit bipolaren Erkrankungen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Zwei Teams betreuen einerseits vom Schwarzenberg Klinikum in Schwarzach und zum anderen von der Doppler-Klinik ausgehend rund 240 Personen im ganzen Bundesland.
Der Menschenrechtsbericht befasst sich mit den Bereichen: Flucht und Asyl, Armutsmigration, Soziale Rechte, Rechte von Menschen mit Behinderung, Anti-Diskriminierung und Gleichbehandlung und der Situation der Pflege in der Stadt Salzburg.